Nette Kartoffel, böse Nudel?

Jede Frauenzeitschrift, die etwas auf sich hält, empfiehlt die „Low-Carb-Diät“(da ist es, das böse Wort!) und spricht dabei oft von „guten“ und „schlechten“, manchmal sogar von „leeren“ Kohlenhydraten. Stets begleitet von der obligatorischen Lebensmitteltabelle: Weißes Mehl und Pasta sind böööse, Vollkornbrot und Süßkartoffeln dagegen voll toll. Aber wieso eigentlich? Und kann man wirklich von gut und schlecht sprechen?

Was genau…?

Kohlenhydrate sind eine sehr wichtige und vielartige chemische Stoffklasse. Man nennt sie auch Saccharide. Moment mal… ist das nicht sowas wie Zucker? *kreisch* Zucker ist doch immer böse! Na ja, das werden wir noch genauer überprüfen. Auf molekularer Ebene bestehen Kohlenhydrate aus mehr oder weniger langen Molekül-Ketten. Die kürzesten sind Monosaccharide. Weiter geht’s mit Disacchariden und, wenn’s ganz lang wird, Polysacchariden. Letztere sind nicht wasserlöslich und schmecken alles andere als süß. Monosaccharide sind zum Beispiel Fruchtzucker, Disaccharide Milchzucker. Beispiele für die langkettigen Polysaccharide sind Stärke oder Zellulose.

Und was tun die?

Sie liefern uns Energie. Und zwar viel mehr als Fette oder Proteine. Der Obermotz ist dabei der Einfachzucker Glucose. Den brauchen vor allem unsere Muskeln zum Arbeiten und unser Gehirn zum Denken. Glucose kommt aber nicht nur aus Früchten und Schokolade. Unser Verdauungssystem kann das Zeug genauso gut aus Polysacchariden herstellen, indem es die langen Ketten in kurze aufspaltet. Das dauert dann eben länger, muss aber sein, denn nur Glucose kann die benötigte Energie liefern. Ihr merkt, wir nähern uns des Pudels Kern…

Good carbs, bad carbs

Was ist denn nun der Unterschied zwischen guten und schlechten Kohlenhydraten?

Wird bei der Verdauung Glucose ins Blut aufgenommen, mit anderen Worten, wenn der Blutzuckerspiegel steigt, wird das berühmt-berüchtigte Hormon Insulin ausgeschüttet. Dieses sagt unter anderem der Leber und den Muskeln „Hey, es ist Glucose da, schnappt euch, was ihr kriegen könnt!“. Liegt viel Glucose auf einmal vor, weil wir Schokolade gegessen haben und unser Körper nicht erst aufwändig lange Molekülketten aufspalten muss, gibt es auch viel Energie auf einmal. Da das aber alles sehr schnell geht, ist man auch schnell wieder hungrig oder müde. Das ist beispielweise nach dem Genuss von Keksen, Kuchen, Hartweizennudeln oder weißem Reis der Fall.

Haben wir aber eine stärkehaltige Kartoffel gegessen, muss die erst mal zerlegt werden. Und das dauert. Wir bleiben länger satt, sind dafür aber auch eine kurze Zeitspanne nach dem Essen matt (Fressnarkose!) und die Energie lässt ein bisschen auf sich warten – immerhin ist der Körper mit Aufspalten beschäftigt!

Eine Sache haben die Kohlenhydrate gemeinsam: Wenn wir die Energie, die sie bereitstellen, nicht verbrauchen, wird sie in Fettgewebe und Leber eingelagert – wer weiß, wann die nächste Hungersnot ansteht. Deswegen werden die armen Kohlenhydrate auch so verteufelt. Außerdem haben Wissenschaftler herausgefunden, dass der Mensch auch völlig ohne kohlenhydrathaltige Nahrung überleben kann – der Körper kann Energie zum Beispiel auch aus Proteinen gewinnen. Das ist aber ein ganz schönes Stück Arbeit.

Das heißt also?

Wer auf die Schnelle viel Energie braucht, greift zu Einfachzuckern – deswegen die Berge von Traubenzucker bei den Abiturklausuren! Wer lange satt bleiben möchte und über den Tag verteilt Energie braucht, isst die „guten“ Kohlenhydrate. Ich denke aber, man sollte nicht von gut oder schlecht sprechen. Oder gar von „leer“, schließlich können Moleküle nicht leer sein.

Übrigens: Auf die gesundheitlichen Probleme, für die (Einfach-)Zucker oft verantwortlich gemacht wird, wie Herz-Kreislauferkrankungen, Karies und sogar Krebs, bin ich hier bewusst nicht eingegangen. Das ist nämlich nochmal ein ganz anderes Thema.

Bex

Quellen: Wikipedia =); worldsoffood.de; Roy Baumeister, John Tierney – Die Macht der Disziplin (Campus-Verlag, 2012) 

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