Echte Männer… – Halt die Fresse!

Facebook ist ja generell eine gute Anlaufstelle für allen möglichen Rotz. Dubiose „Fakten“ ohne jegliche Quellenangabe, „Mir geht’s so scheiße aber ich will nicht drüber reden“-Postings und … die GLÜCKSNUSS. Meistens ignoriere ich den Kram, ab und zu liefert es mir einen guten Grund, meine Freundesliste überschaubar zu halten. In letzter Zeit beobachte ich allerdings ein Phänomen, das mich dazu zwingt, die Klappe aufzureißen.

„Echte Männer lieben dich nicht wegen deinem Körper, sondern wegen deinem Herzen.“

Abgesehen davon, dass hier ein schweres Vergehen gegen die deutsche Grammatik vorliegt, hat das ganz offensichtlich eine Frau verfasst, die sich selbst und ihren Körper hasst und deswegen Bestätigung bei ihrem (imaginären) Partner sucht.

„Echte Männer bestehen nicht nur aus Stahl und Muskeln. Die wirklich wahren Männer tun alles für ihre Familie, opfern sich, damit es ihrer Familie immer gut geht!“

Hier hätten wir das Gegenstück zum ersten Zitat. Ein höchstwahrscheinlich nicht ganz so durchtrainierter Kerl, der sich nur ungern im Spiegel anschaut, will potenziellen Partnerinnen seine inneren Werte schmackhaft machen.

Im Biologie-Unterricht habe ich mal gelernt, dass es etwas gibt, das primäre Geschlechtsmerkmale heißt. Daran kann man das Geschlecht eines Menschen allermeistens erkennen. Penis = Mann. Im Zweifelsfall kann man sich auch an den Chromosomen orientieren. Ob man sich dann auch als Mann fühlt, steht auf einem anderen Blatt, ich bemühe hier lediglich eine wissenschaftliche Definition. Wikipedia nennt als Kriterium noch das Alter: Männer sind erwachsen, sonst sind es Jungs. Und selbst diese Definitionen haken: Schließlich gibt es heute die Möglichkeit, per Operation das Geschlecht zu wechseln.

Wer sind also diese Menschen, die solche Sprüche verfassen, teilen oder liken? Über welche Expertise zur genauen Definition von Männlichkeit verfügen sie, die mir fehlt?

„Echte Männer drücken uns beim Küssen gegen die Wand“

Oh mein Gott – unwissentlich habe ich wohl schon zig Mal eine Frau geküsst! Oder einen unechten Mann?! Also Männer, merkt euch das, wenn ihr nicht fälschlicherweise für eine Frau gehalten werden wollt, drückt eurer Angebeteten die Luft aus der Lunge, wenn ihr ihr die Zunge zwecks erotischer Zwangsbespeichelung in den Hals rammt. Gerade keine Wand in Reichweite? Beeindrucke die Alte mit deinem neusten Wrestling-Move und drück sie stattdessen auf den Boden!

Pff. Echte Männer. Echte Frauen. Was heißt das schon? Nein, ich werde jetzt keine eigene Definition aufstellen. Jeder Mensch, der sich selbst als Mann begreift, ist für mich „echt“. Klar, auch ich habe Vorlieben, Wünsche, Idealvorstellungen, aber was bedeutet das für den Rest der Menschheit? Genau, nix.

Alles, was solche dusseligen Sprüche tun, ist Vorurteile nähren und Stereotype erschaffen.

„Echte Frauen…“-Sprüche sind (Surprise, surprise!) hingegen rar. Stattdessen werden Frauen in solchen Memes gerne dazu aufgefordert, sich selbstbewusst zu fühlen und sie selbst zu sein. Bla. Oder Frauen machen sich gegenseitig runter, ich habe schon oft festgestellt, dass wir das ziemlich gut können: „Echte Frauen haben Kurven“. Das Mädchen von gegenüber, mit den wundervollen grünen Augen und feuerroten Haaren, das aber leider, leider nur Körbchengröße 65 A und einen bedauernswert flachen Hintern hat, ist auf keinen Fall eine echte Frau! Ihre beste Freundin hingegen, dieses dicke Ding, sollte gefälligst mal abnehmen. Was sind diese Frauen, wenn sie nicht echt sind? Was sind „falsche“ Männer? Menschen, die irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Anforderungen nicht erfüllen? Die sogar nicht das Recht dazu haben, sich selbst Mann oder Frau zu nennen? ERNSTHAFT?!

Ich will diesen Scheiß nicht mehr lesen. Wenn es etwas gibt, das die Welt nicht braucht, dann ist es noch mehr Diskriminierung, Selbsthass und dumme Klischees.