Wie leider viel zu oft hänge ich am Mittag vor dem Fernseher. Einfach berieseln lassen von den täglich gleichen und immer wiederkehrenden Sendungen des „Hartz-IV“-Programms. Wenn dann zwischendurch Werbung kommt, ist es schon wieder fast angenehm, Menschen zu sehen, die „normal“ sind. Oder lügt uns die Werbung an in Bezug darauf, was „normal“ ist? Wer bestimmt die Norm? Wer ist Teil dieser Norm?
Dieser Gedanke lässt mich nicht los, und nach kurzer Zeit finde ich mich inmitten des Internets, auf der Suche nach Maßstäben für diese „Alltags-Norm“. Aber die gibt es nicht. Das einzige, das sich finden lässt, sind Schönheitsnormen. Jeder kennt sie, die Beschreibung des perfekten Mannes oder der perfekten Frau. Perfekt liegende Haare, Bikinifigur und hübsches Gesicht bei ihr und 3-Tage-Bart, Muskeln und eine verwegene Ausstrahlung bei ihm. Doch schon bald fällt auf: Frauen scheinen ein wesentlich genauer definiertes Schönheitsideal zu haben. Für „sie“ gibt es Ansprüche in allen Bereichen: straffer Bauch, lange Beine, knackiger Po, große Augen, aber nicht zu glubschig, schöne betonte Brüste, aber nicht zu nuttig, volle Lippen, aber nicht zu wulstig… und so weiter und so fort. Männer haben es also augenscheinlich viel leichter, „normal“ zu sein.
Schönheitsideale gibt es schon, seit es Kultur gibt. Der ideale Mann ist das Sinnbild für Gesundheit und Stärke und somit der ideale „Fortpflanzungspartner“. Aber anscheinend gibt es das Rezept für den perfekten Mann nicht, denn über die Zeit wurde es immer wieder alterniert, neue Zutaten wurden hinzugefügt oder gar ganze Teile verändert.
Nur ein kleiner Teil ist bis heute gleich geblieben, sozusagen des Pudels Kern. Dies ist der Teil, der für eindeutige Gesundheit steht. Makellose Haut, gepflegtes Äußeres, gerade Zähne und so weiter. Alles drum herum ist alternativ, aber oft gilt das Motto „Mann will das, was er nicht erreichen kann“. Die Perfektion ist das Ziel.
Noch in der Antike war das Idealbild sehr stark von den biologischen Idealen zur Fortpflanzung geprägt: muskulös, wohlproportioniert, der junge Athlet. Einer der Versuche, dies in Stein zu hauen, ist der wohl allen bekannte David.
Darüber hinaus war eine natürliche Hautfarbe und eher weniger Körperfülle erwünscht, auch, wenn im römischen Reich Übergewicht nicht mehr als ungesund angesehen wurde, sondern als Zeichen des Wohlstandes.
Zum Mittelalter hin veränderte sich das Bild sehr stark. Männer trugen langes, blondgelocktes Haar. Sie waren sehr blass und schmal, was einen starken Gegensatz zur Antike darstellte. Der eher hagere Körper war übermäßig aufgerichtet und die Brust stets stolzgeschwellt. Die Taille wurde von einem Korsett abgeschnürt und den Unterkörper bildeten eine schmale Hüfte und noch schmalere Beine, mit im Gegensatz dazu geradezu riesigen Füßen.
Später dann, in der Renaissance, machte das Männerbild wieder eine Kehrtwende. Die vorher noch so schmalen Männer wurden plötzlich breiter und runder; sie bekamen ein Doppelkinn, welches sogar als sexuell attraktiv galt. Statt der blonden „Naturwallemähne“ trug Mann nun weiße Perücken, die stark gepudert und parfümiert waren. Es wurde lieber geprotzt als gegeizt, wenn es um das Outfit ging und selbst das Gesicht wurde mit weißer Tünche geschminkt. Eines der bekanntesten Beispiele ist wohl Louis XVI.
Nach der Französischen Revolution wollte man sich deutlich abkehren vom Überdekorierten. Für Männer hieß das: Kein übermäßiges Hübschmachen. Schönlinge galten als effeminiert und verweichlicht. Die Haare wurden kurz getragen und die Kleidung war reines Grau-in-grau.
Dieser Stil prägt sogar heute noch sehr stark das Männerbild, aber so langsam können selbst Männer wieder anfangen, sich zu schminken 😉
Aber mal ehrlich: Auch, wenn wir uns über die absurd schön gemachten Menschen in der Werbung wundern oder geschockt sind von den körperlichen und seelischen Wracks aus dem Mittagsprogramm, so kann man dennoch sagen, dass im Blick auf die Vergangenheit ein bisschen Variation das Leben doch erst interessant macht. Frei nach dem Motto „perfect imperfections“.
Dominik
…Echt interessant die verschiedenen Epochen so im direkten Vergleich zu sehen!
Ich denke auch, dass vor allem die Zeit und die Umstände ein allgemeines Ideal formen, von dem sich jeder (jede) ein individuelles Schönheitsbild ableitet- in heutiger Zeit scheinen manche Leute einfach zu viel Zeit zu haben um sich so intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen, dass solche eindeutigen und genau definierten Schönheits“zwänge“ entstehen, welche du zu Beginn dienes Beitrages nennst…